Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Erdmessung und Glaziologie

Menu

Bayerische Gletscher

Die geodätische Beobachtung der bayerischen Gletscher geht bis ins späte 19. Jahrhundert zurück. Dieser lange Beobachtungszeitraum macht die kleinen bayerischen Gletscher, die heute noch an der Zugspitze (Höllentalferner, Nördlicher Schneeferner) und in den Berchtesgadener Alpen (Watzmanngletscher, Blaueis) existieren, zu besonders wertvollen Klimazeugen. Die erste genaue Karte stammt von Sebastian Finsterwalder, der 1892 das Zugspitzplatt mittels terrestrischer Photogrammetrie aufnahm. Sein Sohn und Mitbegründer der Kommission für Glaziologie Richard Finsterwalder führte in der Mitte des 20. Jahrhunderts Vermessungen aller bayerischen Gletscher durch und ab den 1960er Jahren etablierte die Kommission für Glaziologie ein regelmäßiges photogrammetrisches Monitoring im Abstand von circa 10 Jahren. Im Rahmen eines DFG-Projekts erfolgte 2005-2007 der Übergang ins digitale Zeitalter, seitdem werden die fünf Gletscher (Stand 2014) mit Laserscanning und Echtzeitkinematik in kürzeren Beobachtungsintervallen von circa 5 Jahren überwacht. Diese kontinuierlichen Beobachtungen wurden im Bayerischen Gletscherbericht (erste Auflage 2012, aktualisiert: 2021) des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz allgemein verständlich zusammengefasst. Nach der extremen Schmelze im Sommer 2022 zeigten Messungen am Südlichen Schneeferner auf dem Zugspitzplatt, dass sowohl Fläche als auch Eismächtigkeit so stark abgenommen haben, dass der verbliebene Rest nicht mehr als Gletscher betrachtet werden kann. Damit reduziert sich die Zahl der bayerischen Gletscher auf vier.

Massenbilanz von Ostalpengletschern

Neben der intensiven Beobachtung des Vernagtferners im Ötztal, auf dem die Akademie ein Forschungslabor unterhält, werden noch weitere Gletscher in den Ostalpen in regelmäßigen Abständen untersucht. Damit können die detaillierten Beobachtungen am Vernagtferner regionalisiert und die Entwicklung der Gletscher in den Ostalpen allgemeiner untersucht werden. Dazu werden insbesondere die Gletscher in Bayern und eine Auswahl von Gletschern in den Zillertaler und Stubaier Alpen seit mehr als vierzig Jahren beobachtet.

AlpSenseRely

Alpine remote sensing of climate-induced natural hazards: Reliability of multi-method hazard prediction in a changing climate

AlpSenseRely ist eine dreijährige Zuverlässigkeits- und Potentialstudie in 4 alpinen Regionen (Bayern, Tirol, Land Salzburg und Südtirol) zu hochverfügbaren Remote Sensing gestützten Frühwarnsystemen für Naturgefahren in besonders Klimawandel-sensiblen alpinen Räumen. AlpSense bearbeitet drei Problemfelder: (1) Pro- und periglaziale Dynamik und Hangbewegungen, (2) Gletscherentwicklung und Gletscherdynamik und (3) Multiskalige Fernerkundung und 3D-Visualisierung. Dabei werden eine innovative Kombination von optischen, Radar- und Infrarotsensortechnologien (satellitengestützt, luftgestützt und terrestrisch) als auch neuartige geophysikalische (elektrische & seismische), geochemische (Eisisotopensignale), glaziologische (3D-Ablation, Radartechnologie) und geodätische Methoden (Infrarot-Koregistrierung) verwendet. AlpSense flankiert die EUSALP-Strategie für die Entwicklung des alpinen Raums und arbeitet mit wichtigen Infrastrukturanbietern, Regierungsbehörden, Berg- und Rettungsvereinen zusammen.

Die KEG trägt insbesondere mit der Modellierung der Variabilität der Schneedecke und der damit verbundenen Dynamik des Schmelzwasserabflusses zum Projekt bei. Auf Basis der meteorologischen Beobachtungen und der Eigenschaften der Schneedecke in Kombination mit den Abflussmessungen an der Pegelstation Vernagtbach können entscheidende Kontrollparameter zur Abschätzung von Risikosituationen aus dem glazialen Umfeld identifiziert werden. Dazu werden speziell Hochwassersituationen an der Pegelstation genutzt um kritische Anomalien in den Daten zu Schneedeckenfeuchte, Wasserperkolation und Meteorologie zu identifizieren. Aus dieser Analyse können dann signifikante Parameter ausgewählt und Kriterien zur Definition von Gefährdungsniveaus abgeleitet werden. Aufgrund der flächenhaften Beschreibung des Schneedeckenzustands ist es möglich potentielle langfristige Änderungen zu modellieren. Damit soll die Bandbreite der Reaktion der Schneedecke und des Gletscherabflusses auf unterschiedliche klimatische Bedingungen und unterschiedliche Gletschergeometrien bestimmt und die Konsequenzen im Hinblick auf Gefährdungspotentiale quantifiziert werden.

Kooperationspartner:

  • Technische Universität München (Projektleitung)
  • Ludwig-Maximilians-Universität München
  • FAU Erlangen-Nürnberg
  • Universität Wien
  • Forschungsgesellschaft Georesearch mbH Salzburg

Finanziert vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz

Abgeschlossene Projekte:

Alpengletscher als Klimaindikatoren

Alpengletscher gelten als Ikonen des Klimawandels. Ihr nahezu kontinuierliches Zurückschmelzen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts veranschaulicht eindrücklich die Veränderung des alpinen Klimas innerhalb dieser Zeit. Damit sind weitreichende Folgen für die Umwelt im Alpenraum verbunden. Trotz dieser offenkundig erscheinenden Kausalität stellen sich dennoch einige Fragen nach der Eindeutigkeit des Zusammenhangs zwischen Klimaänderung und Gletscherverhalten auf der regionalen Skala:
Ist das Abschmelzen eines Gletschers die direkte Folge einer bestimmten Änderung des Klimas? Ist der Zusammenhang zwischen Klima und Gletscherreaktion dabei konstant über die Zeit? Können Gletscher aus den verschiedenen Regionen der Alpen in ihrer Antwort auf klimatische Änderungen direkt verglichen werden? Welche Bedingungen lösten Gletscherwachstum aus? Auf der Basis langjähriger Beobachtungen zur Massenänderung von Alpengletschern und parallelen Klimaaufzeichnungen können diese Daten auf Trends und Korrelationen analysiert werden, welche sowohl auf einen kritischen Wendepunkt um 1980 als auch auf eine markante Beschleunigung des Klimawandels im Zeitraum danach hinweisen.

Solche prozessorientierten und bidirektionalen Interpretationen erfordern wesentlich differenziertere Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen Lokalklima und Gletscherverhalten als sie in bisherigen Studien entwickelt wurden. Das heute sehr umfangreiche heterogene Angebot an Beobachtungsdaten zu Gletschern und Klima in allen Alpenländern bildet die ideale Grundlage zur Untersuchung der räumlichen Differenzierung des Klimawandels im Alpenraum, wobei zunächst eine einheitliche alpenweit vergleichbare Datenbasis geschaffen werden muss. Die aus dem Projekt zu erwartenden Ergebnisse dienen dem besseren Verständnis der regionalen Auswirkungen des Klimawandels und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Interpretation von Forschungsarbeiten, wie sie international und national beispielsweise durch das Virtuelle Alpenobservatorium (VAO) seit längerem durchgeführt werden. Ein intensiver Austausch von Daten und Erkenntnissen im VAO Netzwerk ist für dieses Projekt wesentlich, da einerseits eine gemeinsame Datenbasis Voraussetzung für verbesserte Analysen und Prognosen ist, andererseits die Interpretation der Klimasensitivität von hochalpinen Systemen durch die erwarteten Ergebnisse verbessert werden kann.

Das Projekt initiiert erstmals eine alpenweite Sammlung, Archivierung und Homogenisierung der verfügbaren geodätischen und glaziologischen Daten sowie instrumenteller Klimabeobachtungen, die innerhalb des VAO für weitere Untersuchungen zur Verfügung gestellt werden. In einem zweiten Schritt werden daraus die relevanten glaziologischen und meteorologischen Parameter extrahiert, welche als Eingangsgrößen für die lokalen und regionalen Modellanalysen der Beziehung Gletscher und Klima dienen. Gezielte geodätische und meteorologische Feldmessungen in Kooperation mit den VAO-Observatorien dienen der Aktualisierung und Evaluierung dieser Parameter und spezifischer Prozesse. Die prinzipiellen Fragestellungen, insbesondere der kausale Zusammenhang zwischen Topographie, Eisdynamik und Anomalien der regionalen Gletscherbilanzen in Abhängigkeit der Klimareihen werden auf dieser Basis untersucht. Diese Ergebnisse sind ein wichtiger Beitrag für die Beurteilung klimabedingter Umweltveränderungen und die daraus folgende strategische Planung. Die Resultate und homogenisierten Datensätze werden für weitere Forschungen zugänglich gemacht.

Projekt des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz

Projekttitel: Alpengletscher als Klimaindikatoren - Räumliche Differenzierung des Klimawandels aus der Analyse homogenisierter heterogener Datensätze von Gletscherinventaren und Klimaparametern

Projektleiter: Christoph Mayer

Projektnummer: TKP01KPB-70755

AlpSenseBench

Das Projekt AlpSenseBench ist eine zunächst auf ein Jahr angelegte Benchmarkstudie, die sich der Entwicklung von Frühwarnsystemen zu Naturgefahren in besonders für den Klimawandel sensiblen Gebieten in den Alpen widmet. Die Infrastruktur dieser alpinen Räume ist damit erhöhten Risiken ausgesetzt, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. AlpSenseBench zielt darauf ab, diese Risiken durch auf Messtechnik gestützte Vorhersagen und Warnungen in Echtzeit zu reduzieren. Die vier spezifischen Untersuchungsgebiete des Projektes befinden sich in Bayern, Tirol, dem Land Salzburg und Südtirol.

Die Arbeiten der Arbeitsgruppe der Akademie konzentrieren sich auf die Untersuchung des Beitrags der Schmelze in der Schneedecke zum Abfluss am Vernagtferner, einem Gletscher im Ötztal. Dazu wurde im April 2018 am Hochvernagtplateau auf 3500 m eine automatische Messstation mit einem Radar zum detaillierten Vermessen des Wassergehaltes der Schneedecke installiert. Diese Messungen werden durch die meteorologischen Daten der weiteren Stationen im Untersuchungsgebiet ergänzt. Anhand der mit diesen Daten betriebenen numerischen Modelle zur Berechnung der Schneedeckenentwicklung und des Abflusses werden umfassende Kenntnisse zu den Prozessen der Schneeschmelze und der Abflussgenese gewonnen, welche der Wasserwirtschaft in der Region zugutekommen.

Kooperationspartner:

  • Technische Universität München
  • Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Universität Wien
  • Forschungsgesellschaft Georesearch mbH

Projekt gefördert durch das Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie